Das Foto des Monats des Stadtarchivs Bocholt zeigt die Außenfassade der jüdischen Synagoge an der Nobelstraße, so wie sie von einem unbekannten Fotografen am 6. Januar 1936 festgehalten wurde.

Bisher war das genaue Aussehen der Bocholter Synagoge weitgehend unbekannt, und erst durch die Schenkung dieser Bildaufnahme durch Irene Stern-Frielich an die Stadt Bocholt konnte diese Lücke in der Geschichtsforschung geschlossen werden. Die Schenkerin besuchte zuletzt im November 2024 die Stadt Bocholt und ist Tochter von Walter Stern, der 1926 in Bocholt geboren und als Schüler das St.-Georg-Gymnasium besucht hat. Nach dem Pogrom vom 9. November 1938 floh die jüdische Familie Stern in die Niederlande und untergetaucht in einem Versteck überlebte Walter Stern und emigrierte nach dem Kriegsende in die USA.

Zur Zeit der Fotoaufnahme war der Eingang der Synagoge mit zwei oktogonalen Türmchen eingerahmt. Über dem Eingang mit der Doppeltür ist ein prachtvolles Rundbogenfenster zu erkennen.

Bereits im Jahr 1798 errichtete die Jüdische Gemeinde in Bocholt an der heutigen Nobelstraße eine jüdische Schule und eine erste Synagoge. Wegen des Bauvorhabens verschuldete sich die Gemeinde, die auf dreizehn Familien angewachsen war und bisher ihren Gottesdienst in einem Privathaus abgehalten hatte, erheblich. Das einst direkt vor der Synagoge gelegene Schulhaus wurde 1898 abgebrochen und seitdem war die Synagoge von der Straße aus frei einsehbar. Nach einer Erweiterung und umfassenden Renovierung berichtet das Bocholter-Borkener Volksblatt über die am 18. September 1925 stattgefundene feierliche Wiedereröffnung der Synagoge. Mit einer von rund 190 qm bebauten Grundfläche war sie ein stattliches Gebäude. An den Giebelseiten maß sie 10,60 m und 8,56 m sowie an den Längsseiten 18,62 Meter. Die vorgegebenen Grundstücksgrenzen bestimmen diese Asymmetrie.

Neben einer Bima und einem Gedenkstein erinnern heute im Pflaster vor dem Haus des Handwerks eingelassene Basaltplatten an den Grundriss der Synagoge. Aus einem im NRW-Landesarchiv erhaltenen Schrägluftbild sind deutlich die beiden Türmchen an der südlichen Längsseite der Synagoge sowie sehr wahrscheinlich auch die schwarze Dekalogtafel mit der hebräischen Fassung der zehn Gebote zu erkennen.

In der Nacht des Novemberpogroms  1938 zerstörten Nationalsozialisten das Innere der Synagoge und demolierten die Fenster. Die zum Großteil aus Bocholt stammenden Mitglieder der SA verschleppten unter anderem die an der Synagoge befestigten Dekalogtafeln in das nahegelegene SA-Heim an der Nobelstraße 19. Zwei Fragmente dieser Tafeln konnten 1982 bei archäologischen Ausgrabungen auf dem Europaplatz wiederentdeckt werden und befinden sich heute im Bestand des Bocholter Stadtmuseums. Das Abbrennen der Synagoge konnte durch das Einschreiten des Nachbarn Karl Hülskamp verhindert werden, der ein Übergreifen des Feuers auf seine benachbarte Schreinerei befürchtete. Schon im Dezember 1938, nicht einmal einen Monat nach der Pogromnacht, wurde das beschädigte Gebäude an Karl Hülskamp mit der städtischen Auflage, dass die frühere Nutzung als Synagoge unkenntlich zu machen sei, verkauft. Zerstört wurde das Gebäude schließlich durch einen alliierten Bombenangriff am 31. Mai 1942.

Die Stadt Bocholt ist sehr an weiteren historischen Bildaufnahmen von der Nobelstraße und insbesondere des Synagogenbaus für die weitere Forschungsarbeit interessiert. Bitte wenden Sie sich an das Stadtarchiv.