Der Arbeitskreis "Kultursensible Pflege" des Integrationsrates der Stadt Bocholt besuchte in der letzten Woche das "Haus am Sandberg" (HaS), ein Pflegeheim in Duisburg. Es war Ende der 90er Jahre einst das erste multikulturelle Seniorenzentrum in Deutschland. Der Integrationsrat und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung nahmen viele positive Eindrücke mit.
Memet Cinar, Tülay Sahin, Christel van der Linden, Antje Schlütter (Pflegekoordinatorin Stadt Bocholt) vom Arbeitskreis kultursensible Pflege sowie der Integrationsbeauftragte der Stadt Bocholt, Bruno Wansing, verschafften sich unter der Führung von Ralf Krause, Einrichtungsleiter und gebürtiger Bocholter, einen Überblick über das mit Auszeichnungen versehene Haus.
Die Anfänge waren nicht leicht. "1992 ist die Idee entstanden. Unser Haus, das wir bis dato geführt hatten, war marode und die Stadt Duisburg brauchte das Grundstück. Wir haben dafür ein anderes, hier in Homberg, bekommen und konnten frei planen", berichtete Ralf Krause. Die ersten Schritte seien nicht einfach gewesen, 1.500 Unterschriften gegen das Bauvorhaben machten den Planerinnen und Planern und Erbauerinnen und Erbauern das Leben damals schwer. 1995 konnte mit dem Bau begonnen werden, 1997 erfolgte der Einzug. Mit 60 Bewohnerinnen und Bewohnern bei insgesamt maximal 96 Plätzen sei man angefangen. Drei Jahre seien Bau und Betrieb durch die Stiftung Wohlfahrtspflege gefördert worden.

Initialzündung durch Sozialwissenschaftler
Zwei Sozialwissenschaftler, die in Duisburg Gastarbeiter zum Thema "Seniorenbetreuung/Altenheime" befragt haben, hätten schließlich für die Initialzündung gesorgt, das "Haus am Sandberg" zu einer mulitkulturellen Einrichtung zu machen. Allerdings wurde von sämtlichen Beteiligten festgestellt, dass diese sich mit dem Thema "Kultursensibilität" überhaupt nicht auskannten. Über die "türkdanis", einer türkischen Beratungsstelle, wurde die Idee, eine Einrichtung für verschiedene Kulturkreise zu schaffen, verbreitet und "heute haben wir 20 Prozent unserer Bewohnerinnen und Bewohner mit türkischer Abstammung", berichtet Krause.
Beim Bau wurde darauf geachtet, dass der gesamte Eingangsbereich in Richtung Nord-Ost geplant wurde und der Wohnbereich für die Bewohnerinnen und Bewohner eine Süd-West-Ausrichtung bekam: "Unsere Bewohner sollten immer viel Licht bekommen."
Aktuell hat das "Haus am Sandberg" 84 vollstationäre Pflegestellen in 72 Zimmern. Dazu gibt es vier Kurzzeitpflegeplätze.
Die Einrichtung war auch eines der ersten Seniorenheime, die das Haus in Wohngruppen unterteilt. Es gibt insgesamt neun Wohnbereiche mit jeweils bis zu elf Personen. Zu jedem Wohnbereich gehört eine eigene Küche. Besonders stolz ist Krause auch auf den offenen Atriumbereich, der sich über drei Stockwerke erstreckt. "Die Menschen wollen schauen, sind neugierig. Bei uns können sie das."
Die Wohngruppen sind nach ethnischen Bereichen getrennt, das ist Vorgabe. Zurzeit leben im "Haus am Sandberg" 17 türkisch-muslimische Bewohnerinnen und Bewohner mit unterschiedlichen Vorlieben, z.B. was das Essen betrifft. "Hier haben wir das Glück, das wir ehrenamtliche Damen haben, die helfen, das Frühstück vorzubereiten", berichtet Krause. Memet Cinar und Tülay Sahin vom Bocholter Integrationsrat nahmen sich die Zeit, mit einigen türkischen Bewohnerinnen und Bewohnern ins Gespräch zu kommen. "Die Damen, mit denen wir gesprochen haben, haben uns gesagt, dass sie sich im "Haus am Sandberg" sehr wohl fühlen", berichtet Memet Cinar. Viele Gleichgesinnte, mit denen sie sich austauschen könnten, seien hier vor Ort. Auch das Essen und der Umgang untereinander seien sehr gut.

Verweildauer acht Jahre
Im Haus am Sandberg verweilen die Bewohnerinnen und Bewohner deutlich länger als im gesamten Bundesdurchschnitt. Während dieser eine Verweildauer von maximal einem Jahr aufweist, liegt sie im "HaS" durchschnittlich bei acht Jahren. Das Durchschnittsalter der Bewohner liegt bei 84,5 Jahren. "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass unsere Bewohnerinnen und Bewohner bereits mit Pflegegrad 2-3 kommen und noch entsprechend mobil sind", so Krause.
Der Leiter des Pflegeeinrichtung nannte weitere interessante Fakten. 127 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten dort bei 62 Vollzeitstellen (darunter 36 in der Pflege). 55 Prozent sind Pflegefachkräfte. Von den 127 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben 46 Prozent selbst eine internationale Familiengeschichte. Sie kommen aus 12 verschiedenen Ländern, u.a. der Türkei, Russland, Polen und Syrien. Entsprechend intensiv wird das gesamte Personal zum Umgang mit Menschen aus verschiedenen Kulturkreisen geschult. "Vor allem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben von den vielfältigen Schulungsmöglichkeiten profitiert. Der Umgang mit den anderen Kulturen will gelernt sein", so Krause.

Offenes Haus Quartiersarbeit
Das "HaS" versteht sich auch im Rahmen der Quartiersarbeit in Dusiburg als "offenes Haus". Die Cafeteria ist für die Öffentlichkeit zugänglich und so kommen regelmäßig Gruppen von Senioren aus dem Quartier ins Haus, um zu frühstücken oder sich zu treffen. Ein Veranstaltungsraum für bis zu 100 Menschen, eine Boulebahn, ein Seniorenspielplatz mit Trimmgeräten, ein Bücherwagen und im Quartier verteilte rote Bänke sind weitere Angebote des "HaS" im Rahmen von Quartiersarbeit.

Hospizverein im Haus angesiedelt
Im Haus selber ist auch ein ehrenamtlicher Hospizverein angesiedelt, der eine palliative Begleitung am Lebensende ermöglicht.

 

 

Bild: Integration unterwegs: AK Kultursensible Pflege besucht Haus am Sandberg