Mit einem Erinnerungs- und Aktionstag ist jetzt an die jüdischen Männer und Frauen aus Bocholt, Rhede und Dingden erinnert worden, die auf dem Jüdischen Friedhof begraben sind. Etwa 80 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 10 des Euregio-Gymnasiums setzten sich mit der Geschichte dieses Erinnerungsortes auseinander und pflegten im Anschluss den Friedhof.

„Alle Verstorbenen hier haben in Bocholt gelebt, alle haben eine eigene Geschichte“, betont Jan-Bernd Lepping, stellvertretender Schulleiter des Euregio-Gymnasiums. „Wir als Schule sind unmittelbare Nachbarn der Erinnerungsorte in der Stadt Bocholt, wie auch des Jüdischen Friedhofs. Nun wollen wir diesen Nachbarn ihren Sitz im Leben zurückgeben“, führt er aus.

Die Schülerinnen und Schüler räumten Wege frei, schnitten Efeu zurück und pflegten die insgesamt 94 Grabdenkmäler. Zuvor erhielten die Jugendlichen durch Sharon Fehr, den Ehrenvorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Münster, eine Einführung in die jüdische Begräbniskultur.

Als Stärkung wurde den Schülerinnen und Schülern ein koscheres Zopfbrot bereitgestellt. Abschließend stellten sie die vorab im Stadtarchiv erarbeiteten Familien- und Lebensgeschichten einzelner jüdischer Familien vor und konnten sich dadurch tiefergehend mit der Bedeutung der Erinnerungskultur auseinandersetzen.

„Wir sind dankbar, dass junge Menschen sich mit der Geschichte der Jüdinnen und Juden in Bocholt beschäftigen“, äußert Renate Volks-Kuhlmann, Leiterin des Stadtarchivs Bocholt. „Dass sie das nicht nur theoretisch, sondern auch aktiv tun, indem sie hier den Jüdischen Friedhof pflegen und ihre Hände, ihren Kopf und ihr Herz sprechen lassen – und sich damit auseinandersetzen, wie Juden hier in Bocholt gelebt haben“.

Die Aktion wurde in Gemeinschaft mit dem Bocholter Stadtarchiv und dem Fachbereich Kultur und Bildung der Stadt Bocholt durchgeführt. Finanziell unterstützt wurde der Projekttag durch die Rudolf und Margot Ostermann-Stiftung.

Zur Geschichte und Bedeutung des Jüdischen Friedhofs in Bocholt

Der Friedhof an der Vardingholter Straße gilt als ein bedeutendes Zeugnis jüdischen Lebens in Bocholt. Nach seiner ersten Anlage um 1700 und einer Verlegung im Jahr 1810 wurde die jüdische Gemeinde 1940 von den Nationalsozialisten gezwungen, den Friedhof an der Straße „Auf der Recke“ aufzugeben. Über 130 Verstorbene wurden unter Zwang und Missachtung jüdischer Traditionen auf ein neues Gelände am aktuellen Standort umgebettet.

Nach Kriegsende wurde der Friedhof neugestaltet und 1948 ein Gedenkstein für die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung errichtet. Heute steht er für die lange Geschichte der jüdischen Gemeinde in Bocholt, für das erlittene Unrecht und für das andauernde Gedenken.

Weiterführende Informationen zur Geschichte des Jüdischen Friedhofes können im Stadtlexikon nachgelesen werden.

 

Schülerinnen und Schüler des Euregio-Gymnasiums pflegten am 4. September den Jüdischen Friedhof
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