Das Stadtarchiv Bocholt zeigt im Oktober ein Foto aus den frühen 1930er-Jahren, dass das Mittelstandshaus an der Ecke Ravardi- und Dinxperloer Straße dokumentiert. Errichtet wurde das Gebäude 1927 nach Plänen des Bocholter Architekten Ludwig Beier im Stil der Neuen Sachlichkeit.

In den allerletzten Tagen des Ersten Weltkrieges, am 15. Oktober 1918, schloss sich der gewerbliche Mittelstand in Bocholt zu einer Zentralvereinigung zusammen, welche den Namen „Mittelstandsamt“ erhielt. Vornehmliche Aufgabe dieses Gewerbesekretariates war es, die Kräfte des gewerblichen und kaufmännischen Mittelstandes zu bündeln, um als gemeinschaftliche Vertretung ihre Interessen nach außen zu tragen.

Zu seinen frühen Mitgliedern zählte u. a. der Verein der vereinigten Kaufleute, Handwerker und Gewerbetreibenden der Stadt. Die erste Geschäftsstelle richtete man in der Nordstraße 17 ein. Unter der langjährigen Leitung des Vorsitzenden Johann Imping (Konditormeister) konnte sich die Organisation weiter ausbauen und festigen. Krönung seiner Arbeit war die Errichtung des großen Mittelstandshauses, dessen Grundsteinlegung Ende 1926 erfolgte und am 2. Oktober 1927 seiner Bestimmung übergeben wurde. Das um 1930 entstandene Foto zeigt das im Architekturstil der Neuen Sachlichkeit gebaute Haus an der Ecke Ravardi-/Dinxperloer Straße. Der Blick des Betrachters richtet sich nach Osten in die Ravardistraße. Am linken Bildrand erkennt man die Statue des Brückenheiligen Nepomuk, die zur Westendbrücke ausgerichtet ist.

Das gegenüberliegende, nicht sichtbare Capitol-Theater ist 1927 stilgleich erbaut worden. Das Mittelstandshaus entstand nach den Plänen des Bocholter Architekten Ludwig Beier. Alle in der Organisation vereinigten Berufsgruppen, allen voran die Bauhandwerker, hatten ihre Mitarbeit zugesagt. Durch finanzielle Unterstützung weiterer Mitglieder und Stiftungen aus den vorausgegangenen Jahren war das Werk schließlich zügig vollendet und in seiner imposanten Erscheinung zu einer Zierde des westlichen Stadtteils geworden.

Im Erdgeschoss wurden drei Ladenlokale untergebracht. Die Büroräume, der 50 Personen fassende Sitzungssaal und das Zimmer des Geschäftsführers befanden sich im ersten Stockwerk. Diese Räume und das Treppenhaus erhielten bleigefasste und handgemalte Glasfenster. Das Eckhaus nahm im Übrigen auch fünf modern eingerichtete Wohnungen auf. 1928 gehörten der Organisation 23 Innungen und Vereine mit insgesamt 994 Mitgliedern an. Aufgrund einer prekären finanziellen Situation kam das Mittelstandshaus 1935 unter Zwangsverwaltung. Am 22. März 1945 wurde das Gebäude beim Luftangriff völlig zerstört.

Foto: Stadtarchiv Bocholt, Bildsammlung Nr. 611, Text: Wolfgang Tembrink

 

 

Das Mittelstandshaus an der Ravardistraße
© Stadtarchiv Bocholt, Bildsammlung Nr. 611