Wo sich heute Spaziergängerinnen und Spaziergänger durch den Stadtwald bewegen, befand sich bis Anfang der 1980er-Jahre ein weitläufiges Barackenlager – das sogenannte Stadtwaldlager. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs diente es als Unterkunft für Geflohene aus Lettland, Estland und Litauen. Neben über 7.000 jüdischen Überlebenden von Konzentrations- und Vernichtungslagern fanden ab 1950 auch zahlreiche Flüchtlinge aus der DDR dort ein vorübergehendes Zuhause.

An diese wechselvolle Geschichte erinnern zwei öffentliche Führungen am Sonntag, 12. Oktober, und Samstag, 25. Oktober, jeweils um 14.30 Uhr. Die Bocholter Heimatforscher Josef Niebur und Hermann Oechtering erläutern bei den rund eineinhalbstündigen Rundgängen die unterschiedlichen Nutzungen des Lagers in der unmittelbaren Nachkriegszeit und berichten über die Schicksale der sogenannten Displaced Persons – Menschen, die nach 1945 nicht in ihre Heimatländer zurückkehren konnten.

„Die Rundgänge bieten einen eindrucksvollen Einblick in ein bislang wenig bekanntes Kapitel der Bocholter Stadtgeschichte und machen deutlich, wie eng auch Bocholt mit den Nachwirkungen des Krieges und der europäischen Fluchtgeschichte verbunden ist“, sagt Oliver Brenn, Geschäftsbereichsleiter Kultur und Archiv der Stadt Bocholt. Die Führungen finden im Rahmen des Projekts „Blind Spots“ statt. Diese Veranstaltungsreihe widmet sich der Geschichte der Displaced Persons in Westfalen-Lippe. Dabei handelt es sich um ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter sowie KZ-Häftlinge, die nach Kriegsende von den Alliierten in speziellen Lagern untergebracht wurden.

Für die Region Westfalen-Lippe sind 38 solcher Lager bekannt. Ihre Geschichte wird im Rahmen des Projekts mit einem vielfältigen Programm an den Standorten Haltern am See, Bocholt, Bochum, Münster und Soest aufgearbeitet.

Die Teilnahme an den Führungen ist kostenlos. Eine Anmeldung ist erforderlich unter www.stadtmuseum-bocholt.de

 

Historische Aufnahme aus dem Stadtwaldlager
© Stadt Bocholt