Erstmalig hat mit Bürgermeister Thomas Kerkhoff ein Bocholter Stadtoberhaupt zum Fastenbrechen eingeladen. 60 Bocholterinnen und Bocholter von Moscheevereinen, der katholischen und evangelischen Kirchen, des Integrationsrates und verschiedenen Organisationen kamen am 31. März in die Skylounge des LWL Textilwerk Bocholt
"Ich möchte hiermit die Wiederaufnahme des interreligiösen Dialogs starten und hoffe, dass dieser Termin des gemeinsamen Fastenbrechens Eingang in den Jahreskalender finden wird", betonte Bürgermeister Kerkhoff. Der interreligiöse Dialog sei der "Schlüssel zum Frieden in der Welt. Und diesen Dialog müssen wir wieder in unsere Mitte holen". Er habe mit dem Integrationsrat einen guten Dialog gefunden. "Wir sind nicht immer einer Meinung, aber wir können darüber sprechen", betonte Kerkhoff. Das Fastenbrechen bedeute Freude, Zusammenkommen, aber auch Nachdenken.
Soziale Gemeinschaft stärken
Memet Cinar, stellvertretender Vorsitzender des Integrationsrates, bedankte sich beim Bürgermeister für die Einladung. "Solch eine Zusammenkunft mit Vertretern aus unterschiedlichen Glaubensgemeinschaften, Politik und Vereinen ist in Bocholt einmalig."
Cinar berichtete über die fünf Säulen des Islams. "Sie umfassen das öffentliche Glaubensbekenntnis, das tägliche Gebet, die soziale Spende, die Pilgerfahrt und das Fasten im Monat Ramadan, in dem wir uns aktuell befinden." Nach dem Sonnenuntergang wird das Fasten zuerst mit einer Dattel gebrochen. Oft werden Freunde und Verwandte zum Fastenbrechen eingeladen oder man trifft sich in der Moschee und isst mit der Gemeinde. "Somit wird die soziale Gemeinschaft in der Gemeinde und im Umfeld gestärkt", berichtete Cinar weiter.
Er ging auch auf den Ukraine-Krieg und die Erdbebenkatastrophe in der Türkei und in Syrien ein. "Die Fastenzeit ist nicht nur im Islam, sondern auch im Christentum die Zeit, um Nächstenliebe und Wohltätigkeit zu leben. Gerade jetzt dürfen wir die Menschen dort vor Ort nicht alleine lassen", betonte Cinar und forderte, durch Spendenaktionen beim Wiederaufbau zu helfen. "Die Menschen brauchen auch finanzielle und materielle Unterstützung."
Cinar bezeichnete Bocholt als eine "große, bunte Familie mit Menschen aus vielen Ecken der Welt. Diese wunderschöne Stadt gehört uns allen. Gemeinsam können wir sie gestalten, gemeinsam können wir etwas erreichen. Der Austausch zwischen den Glaubensgemeinschaften, Vereinen und der Politik ist daher sehr wichtig und notwendig. Denn nur durch Begegnung und Dialog können wir Vorurteilen und Ängsten entgegenwirken."
Pfarrer Rafael van Straelen, der einen Tag zuvor von einer Pilgerreise zurückgekehrt war, betonte, dass alle Religionen inhaltlich das gleiche Ansinnen in der Fastenzeit hätten, Barmherzigkeit zu zeigen. "Christen und Muslime überlegen in der Fastenzeit, was kann ich Gutes tun", so van Straelen.
"Ik bün ne Bokeltsen Junge", sagte Tugay Turgut, neuer Vorsitzender der DITIB Bocholt (Türkisch-islamische Gemeinde zu Bocholt e.V.). "Ich wünsche mir noch mehr solcher Veranstaltungen." Jesus und auch Mohammed sagten mit dem Satz "Du sollst Deinen Nächsten lieben" dasselbe. "Dann lasst uns das auch tun", forderte Turgut.
"Bocholt ist unser aller Heimat"
"Ramadan ist der Monat der Begegnung", sagte anschließend Abdullah Zor vom Verein Integrations- und Bildungsstätte e.V. (Blaue Moschee). "Fremdenhass und Diskriminierung haben in unserer Gesellschaft keinen Platz, lasst uns einander mit Solidarität und Nächstenliebe begegnen." Das wichtigste dabei sei, miteinander zu sprechen. Bocholt sei dabei "auf einem guten Weg. Bocholt ist unser aller Heimat und in Krisen zeigen wir, dass wir gemeinsam stark sein können." Die Spendenbereitschaft habe seinen Verein nahezu überrollt. "Harun Benli und ich sind hier geboren, wir sind hier mit deutsch-türkischen Werten aufgewachsen, haben studiert und sind Bocholter."
Dr. Abdul Waheed von der Ahmadiyya Gemeinde hob die Gemeinschaft in den Vordergrund. "Ich bin auch ein Bocholter Junge. Das Fastenbrechen ist ein besonderes Ereignis und das sollte man mit Respekt, Toleranz und Solidarität feiern und auch danach leben. Wir verfolgen alle das gleiche Ziel, friedlich und solidarisch zusammenleben zu können."
Gülhan Zorlu überbrachte die Grüße des Vereins der Akdeniz-Aleviten. "Fastenbrechen in Gesellschaft, das macht es erst aus", so Zorlu. Sie berichtete von einigen Spendenaktionen, die ihr Verein in den vergangenen Tagen und Wochen durchgeführt hätte. "Es wird viel getan, aber weitere Hilfe, gerade für den Aufbau, wird weiterhin benötigt".
Brücken schlagen
Muaiad Abd Alrahman sprach anschließend für den Deutsch-Syrischen Verein. "Wir haben uns 2021 gegründet mit dem Ziel, eine Brücke zwischen den syrischen und den deutschen Bocholterinnen und Bocholtern zu schlagen", so Abd Alrahman. Im Ramadan solle man sich bewusstmachen, was im Leben wichtig ist: "Fasten, Gebet und Teilen."
Pünktlich zum Sonnenuntergang um 20:11 leiteten Taha Cicekci mit dem Gebetsruf und Harun Benli mit dem Tischgebet das Fastenbrechen ein.
Organisator Bruno Wansing, Integrationsbeauftragter der Stadt Bocholt, zog ein zufriedenes Fazit. "Wir haben die unterschiedlichen Menschen aus Bocholt bunt durcheinander an die Tische gesetzt, um direkt von Beginn an den Dialog zu fördern. Das ist uns gelungen."
Die Stadt Bocholt bedankt sich bei der "Blauen Moschee", die das Essen geliefert hat, sowie bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die den Austausch rund ums Fastenbrechen zum Erfolg werden ließen. "Wir werden den interreligiösen Dialog mit weiteren Terminen fortsetzen", kündigt Wansing an.
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Bild: Fastenbrechen am 31.3.2023 - Bild 1