Sehr geehrter Herr Bürgermeister Nebelo,

sehr geehrter Verwaltungsvorstand der Stadt Bocholt,

die Kanzlerin hat die Phase, in der wir uns seit einigen Wochen befinden, treffend als

Beginn der größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg bezeichnet. Und wir befinden

uns erst am Anfang, keiner kann sagen, wann der Albtraum vorbei sein wird, geschweige

denn welche Situation sich dann stellen wird?

Das Corona Virus wird das Gesundheitssystem auf eine harte Probe stellen und unseren

Alltag radikal verändern, daran zweifelt wohl kaum mehr jemand. Angesichts von

Toten und Schwerstkranken ist es schwer den Fokus auf die wirtschaftlichen Opfer zu

lenken, die es schon jetzt gibt. Der konsequente Abbau von Sozialkontakten, mit

dem unsere Politik den Kampf gegen das Virus aufnimmt, hat die Gastronomie

als erstes zum „Shutdown“ und damit gleichzeitig in die Knie gezwungen.

Fakt ist: Corona wird aktiv und passiv unser unternehmerische Existenz in „Schutt und

Asche“ legen, wie es folgerichtig in einem offenen Brief der Hamburger Gastronomie

an die Stadt heißt. Letztlich leben wir doch, wie keine andere Branche, von den sozialen

Kontakten, die es nun per Verordnung zu vermeiden gilt. Dabei ist die Gastronomie

ein fragiles Gebilde und in Deutschland auch leider kein hochprofitables Geschäft,

in der Rücklagen und Liquidität aufgebaut werden können um sich gegen diesen

„gastronomischen Super Gau“ zu wappnen.

Wir Gastronomen sitzen dabei von Anfang an gedanklich zwischen den Stühlen, einerseits

moralisch und solidarisch von der Überzeugung getragen, dass es richtig ist zu

schließen, andererseits die Verantwortung gegenüber den Angestellten spürend, ihnen

das Kurzarbeitergeld so spät wie möglich zumuten zu wollen.

Denn das bedeutet für alle unsere Mitarbeiter, dass sie nur noch 60 oder 67 Prozent

ihres Nettolohns bekommen werden. Trinkgelder und steuerfreie Zuschläge fallen dabei

bis auf weiteres aus. Für die meisten hat mit der behördlichen Betriebsuntersagung

der pure Existenzkampf begonnen. Minijobber wie Betreiber und nicht sozialversicherungspflichtig

beschäftigte Gesch.ftsführer gehen im Übrigen bei besagtem Kurzarbeitergeld

komplett leer aus, was in einer Branche mit einem hohen Anteil an

geringfügiger Beschäftigung die sicherlich ambitionierte Hilfestellung der

Bundesagentur für Arbeit für unsere Branche stark relativiert.

Wenig unterstützend, wenn auch verständlich, sind derweil die Einschätzungen der

Sachbearbeiter der Bundesagentur, die eine Auszahlung des Kurzarbeitergeldes erst in

mehreren Wochen sehen, da die Flut der inzwischen eingegangenen Anträge unmöglich

zeitnah zu bewältigen ist. Ähnlich sieht es bei den in Aussicht gestellten Übergangskrediten

aus. Das Verfahren wird von den Hausbanken durchgeführt und ist was

die Zugangsvoraussetzungen und Bereitstellungstermine der Darlehen betrifft,

nur unzureichend auf diese unberechenbare Krisenzeit abgestimmt. Die

hiesigen Banken werden das bestätigen.

Wir Gastronomen aus Bocholt haben momentan sehr große Sorge um den Fortbestand

unserer Unternehmen, und um die Unversehrtheit und Gesundheit unserer Mitarbeiter.

Deshalb benötigen wir schnelle und unkomplizierte Hilfe in ausreichendem Maße,

um unseren Verpflichtungen nachkommen zu können. Hilfe, damit unser Personal und

wir bestmöglich durch diese Krise kommen, schlichtweg damit wir „überleben“ können

und der „Shutdown“ keine Einbahnstraße wird. Um „Standby“ zu bleiben, bedarf

es der möglichen Reduzierung von Fix-Kosten und der Liquidierung der unumgänglichen

Kosten unter Beibehaltung zumindest des Kernpersonals.

Schnelle Liquidität (gestern war Monatswechsel!), kann nur die „Soforthilfe“ vom

Bund bringen, was Betriebe bis zu 10 Mitarbeiter betrifft. Hier sind wir sehr dankbar,

dass NRW auch die zahlreichen Betriebe unserer Branche mit bis zu 50 Mitarbeitern

subventioniert. Angesichts der uns gestellten Aufgabe (Weiterbedienung der laufenden

Kosten wie Miete, Energie, Kredite, laufende Dienstleistungsverträge, die nicht kurzarbeitsbefähigte

Fortzahlung von Löhnen und Gehältern, sowie die wohl notwendigen

Zwischenfinanzierungen der kurzarbeitsgestützten Löhne und Gehälter) reichen die

bereitgestellten Subventionen in den meisten Fällen längst nicht aus. Die gewährten

Stundungen von Steuern aller Art sind natürlich hilfreich aber angesichts der

Gesamtlast der berühmte „Tropfen auf dem heißen Stein“

Wir sehen und fühlen, dass die Verantwortlichen der Stadt Bocholt und des Gesundheitsamtes

einen guten und professionellen Job machen, um zu verhindern, dass sich

die Pandemie noch weiter ausbreitet.

Verstehen Sie uns bitte nicht falsch, wir dürfen und wollen diese Prioritäten nicht verschieben.

Allerdings müssen wir Ihnen mitteilen: Die geplanten Maßnahmen von

Bund und Land werden nicht jedem, manchem auch vielleicht zu spät, helfen.

Es sind durchaus Zweifel angebracht, dass die Hilfen die Branche - wie von der Politik

vehement intendiert - retten können.

Wir wissen, dass Sie Ihr Bestes tun und unter einem riesigen Druck stehen. Wir möchten

auch keineswegs undankbar erscheinen, hat die Stadt Bocholt doch von sich aus

die Gewerbesteuerstundung auf Antrag in Aussicht gestellt sowie die Halbierung der

Abschläge zum örtlichen Energieversorger initiiert. Das haben wir natürlich dankbar

zur Kenntnis gekommen. Unsere hier vorgenommene Schilderung der derzeitigen Situation

soll jedoch als echter Hilferuf bewusst machen, dass das nicht ausreichen wird.

Unsere Möglichkeiten, aus uns heraus „Übergangsliquidität“ zu schaffen werden zwar

kreativ ausgeschöpft, letztlich ist das „Bier am Ort“ oder die „Übernachtung am Ort“

leider nicht digital vermittelbar und deshalb können diese Ansätze allenfalls Marketingmaßnahmen

sein.

Ein vielfältiges Angebot an Kultur und Gastronomie macht die Attraktivität und Lebensqualität

einer Stadt aus, das wird das Virus nicht dauerhaft ändern können.

Nichts weniger als das, steht aber gerade auf dem Spiel. Nach dieser Pandemie

braucht Bocholt wieder Orte des gesellschaftlichen Lebens und das in möglichst individueller

und bunter Vielfalt.

Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen. Im Rahmen der zu Recht vordergründigen

Gesundheitserhaltung ist sehr oft von Systemrelevanz die Rede. Lassen Sie uns

bei dieser Begrifflichkeit bleiben, denn der Gastronomie wird beim Wiederbeleben

unseres gesellschaftlichen Lebens eine solche Rolle zukommen. Diese

Verantwortung werden wir annehmen – versprochen!

Wir waren und werden auch in Zukunft immer für Bocholt da sein, denn Bocholt ist

UNSERE Stadt!

Dabei können Sie helfen, indem Sie sich für die „unbürokratische“ Aussetzung der

Gewerbesteuervorauszahlung in Bocholt für unsere betroffenen Unternehmen

stark machen. Ein Vorbild hierfür könnte der Leipziger Bürgermeister und Beigeordne

für Finanzen sein, der die Gewerbesteuervorauszahlung auf Null ohne Antragstellung

für betroffene Unternehmen und dazu die gebührenfreie und zinslose Stundung von

Vorjahressteuern durchgesetzt hat! Darüber hinaus wird kurzfristig an einem Hilfspaket

seitens der Stadt Leipzig gearbeitet um Direkthilfe auch seitens der Stadt zu

generieren. Hier ist man in Monheim schon einen Schritt weiter, wie der Rheinischen

Post zu entnehmen war: Förderhöchstbeträge bis 15.000 Euro für vom „Shutdown“

betroffene Betriebe, finanziert aus einem Nachtragshaushalt unter Aufgabe der

schwarzen Null und aus bestehender Ausgleichrücklage. Besondere Zeiten bedürfen

besondere Maßnahmen. Grundlage dieser Entscheidung war laut Bürgermeister Daniel

Zimmermann: „Unsere Bestandsaufnahme vor Ort hat ergeben, dass Bundes- und

Landeshilfe vor allem für kleiner Betriebe nicht ausreichen werden.“

Eine solche Bestandsaufnahme sowie daraus resultierende Soforthilfen sind

auch in Bocholt notwendig und „überf.llig“!

Darüber hinaus können Sie helfen, indem Sie bitte das gesamte, städtische Gebührensystem

für uns auf den Kopf stellen und an unserer Seite für die notwendigen

Erleichterungen kämpfen, von den Sondernutzungsgebühren bis hin zu den

Abfallgebühren seitens des ESB. Auch kleinere Beträge entscheiden zurzeit über unseren

Fortbestand.

Ihre Einflussmöglichkeiten reichen bis hin zu städtischen Unternehmen wie der Stadtsparkasse,

bei der Sie mit uns auf möglichst unbürokratische Verfahren drängen können.

Im Rahmen der BEW-Beteiligung können Sie Erleichterungen bei den beträchtlichen

Energiekosten, die wir in der Gastronomie zu zahlen haben, bewirken. Da die

meisten Betriebe auf null zurückgefahren wurden, sind auf Vollbetrieb ausgerichtete

Abschläge durchaus in Gänze obsolet.

Leider gibt es für uns im Gegensatz zu manch anderen Branchen keinen Nachholeffekt

für entgangene Umsätze. Ein Essen, ein Getränk, das wir heute nicht verkaufen, wird

auch in zwei Monaten nicht verkauft. Wenn unsere Räumlichkeiten heute leer stehen,

können in zwei Monaten nicht doppelt so viele Menschen kommen. So nett es ist, auch

Gutscheinsysteme werden uns da nicht retten.

Nach den notwendigen, gesundheitspolitischen Maßnahmen, brauchen wir

auch kommunal ein wirtschaftlich verantwortliches Handeln seitens der Politik,

das heißt schon jetzt an einem Wiedereinstiegsszenario zu arbeiten. Lassen

Sie uns dazu in Kürze einen Dialog führen!

Wir plädieren dafür, besondere Rahmenbedingungen zu entwickeln, die eine Kompensation

entgangener Umsätze für die Gastronomie dennoch möglich machen und für

eine Übergangszeit unsere eigene „Wirtschaftskraft" stärken können. Auch hier vertrauen

wir auf Ihre kreative Unterstützung.

Das sicherlich am Punkt „Null“ gewachsene Ausgehbedürfnis unserer Bürger

sollte der hiesigen Gastronomie zu Gute kommen. Wir sprechen uns deshalb in

einer Übergangsphase für eine grundsätzliche Begrenzung von privaten Veranstaltungen

auf öffentlicher Fläche aus.

Der übers Jahr sowieso schon sehr volle Veranstaltungskalender sollte nicht mit dem

Nachholen jeder ausgefallenen Veranstaltung noch weiter überfrachtet werden, im

Gegenteil, der „Sauren Gurken Zeit“ in der sommerlichen und frühherbstlichen Gastronomie

sollten in diesem Jahr verlustkompensatorische Effekte zukommen. Veranstaltungen

könnten in dieser Zeit in direkter Absprache mit dem Stadtmarketing

unter Mitwirkung der hiesigen Gastronomie statt auswertiger Veranstalter ausgerichtet

werden.

Eine Hilfestellung für die Gastronomie könnte in dieser Übergangsphase unter anderem

gelingen durch befristete Stärkung der Außengastronomie, vor allem weil lt.

Aussage der Virologen das Virus uns noch eine Zeit lang begleiten wird. Außengastronomie

bietet generell eine geringere Ansteckungsgefahr und lässt unter Umstände

auch die Sicherheitsabstände besser einhalten. Dazu könnten folgende Bedingungen

die Gastronomie unterstützen:

1. Sperrzeitverkürzung im Bereich Außengastronomie während des Sommers (beispielsweise

bis 02:00 Uhr)

2. Unbürokratische Ausweitung der Außengastronomieflächen, natürlich unter Berücksichtigung

der Feuerwehrauflagen. Das könnte z.B. gelingen, wenn in einer

Übergangsphase Straßen zeitlich begrenzt, abgesperrt würden. Größere Flächen

ermöglichen höhere Sicherheitsabstände.

3. Bands in Town als gemeinschaftliche Aktion der Bocholter Gastronomie könnte

als Open Air Veranstaltung nachgeholt werden.

4. Verzicht auf Gebühren in 2020 für Konzessionen, Außengastronomie, usw.

Sein Sie sich versichert, wir brauchen jetzt und in unmittelbarer Zukunft dringender

denn je Ihre Unterstützung! Alles, was Sie derzeit für unsere Branche tun, setzt den

Willen der Bundes- und Landesregierung und der überw.ltigenden Mehrheit in Bundestag

und Landtag um.

Helfen Sie Bocholt bitte weiterhin umsichtig durch diese historische Krise

und unterstützen Sie uns dabei, eine Basis für unser Fortbestehen zu schaffen,

damit wir unserer gesellschaftlichen Funktion mit Kreativität und Verantwortungsbewusstsein

auch zukünftig nachkommen können.

Bleiben Sie bitte alle gesund!

Mit gastfreundlichen Grüßen

Timo Salomo

Vorsitzender des DEHOGA Ortsverbandes

Bocholt/Isselburg/Rhede