Im Lernwerk Bocholt fand eine besondere Veranstaltung unter dem Motto „Brücken bauen statt Mauern“ statt. Der syrische Aktivist und YouTuber Firas Alshater berichtete über seine Flucht aus Syrien, den Kampf für Demokratie und die Bedeutung von Freiheit. Aufgeteilt in drei Durchgänge, diskutierte er nach seinem bewegenden Vortrag mit insgesamt über 360 Schülerinnen und Schülern von drei Bocholter Schulen sowie mit lokalen Akteuren.
Die Veranstaltung, organisiert von jusina e.V., dem Kommunalen Integrationsmanagement des Kreises Borken (KIM) und der Stadt Bocholt, wurde durch die "Aktion Mensch" gefördert.
Bewegende Einblicke in Firas' Leben
In seinem Vortrag erzählte Firas Alshater von seiner Jugend in Syrien, seiner Flucht und den dramatischen Erlebnissen, die er durch die Konflikte und die politische Repression seines Heimatlandes machte. Er berichtete von seiner ersten Teilnahme an einer Demonstration 2011, als er das "krasse Adrenalingefühl" spürte und damit begann, selbst Demos zu organisieren. Doch der Widerstand hatte seinen Preis: "Es gab drei Möglichkeiten: Entweder man war sicher, man wurde erschossen, oder man wurde verhaftet – das war das Schlimmste." Alshater wurde verhaftet.
In den neun Monaten, die er im Gefängnis verbrachte, erlebte er die brutale Seite des syrischen Regimes. "Ich war in Isolationshaft ohne Licht, musste immer hören, wie andere gefoltert wurden und fragte mich, wann ich an der Reihe sein würde." Er erzählte von seinen Erfahrungen mit Folter, seiner Zeit im Gefängnis und wie er nach dem Sturz des Regimes von Bashar al-Assad erstmals wieder in sein zerstörtes Heimatland zurückkehren konnte: "Es war unglaublich, wieder nach Syrien zu fahren. Ich wollte sehen, dass die schlimmen Orte leer sind und nie wieder Menschen dort gefoltert oder getötet werden."
Privileg der Freiheit
Der Syrer betonte, dass es eine "wertvolle, aber auch gefährdete Errungenschaft" sei, in einer Demokratie zu leben. "Demokratie und Freiheit sind in Syrien 50 Jahre hinter dem, was wir hier in Deutschland haben. Syrien hat viel dafür bezahlt, die Freiheit zu bekommen", erklärte er. Besonders die jungen Menschen seien aufgerufen, Demokratie zu schützen: "Wählt richtig, sorgt dafür, dass ihr die Stimme denen gebt, die Demokratie schützen."
Zum Abschluss brachte er humorvoll zum Ausdruck, dass die Verantwortung für den Schutz der Demokratie in der Gesellschaft liege: "Ich weiß nicht, was Leitkultur ist, aber ich weiß, dass wir miteinander reden müssen."
Zuvor hatte Sebastian Schröer vom Verein jusina e.V. den Gastredner im Namen des Publikums begrüßt: "Ich habe seine YouTube-Videos gesehen und war sofort beeindruckt. Es ist für uns alle eine große Freude, dass du über Damaskus und Berlin ins beschauliche Bocholt gekommen bist."
"Es gibt viel mehr, das uns verbindet"
Ruth Sonntag, Leiterin des Mariengymnnasiums, von dem über 80 Schülerinnen und Schüler der Einladung gefolgt waren, brachte ihre Sorge um die gesellschaftliche Polarisierung zum Ausdruck: "Ich halte es kaum aus, Nachrichten zu schauen. Es gibt extreme Meinungen, und ich habe das Gefühl, dass wir vergessen, was uns verbindet. Es gibt zwischen schwarz und weiß viele Grautöne und ganz viel buntes. Ich will viel Farbe in die Welt bringen." Sonntag unterstrich die Bedeutung von Achtung und Toleranz, die für ein funktionierendes Zusammenleben unverzichtbar seien.
Podiumsdiskussion – Ehrenamtliches Engagement für Demokratie
Im Anschluss an Alshaters bewegende Worte fand eine Podiumsdiskussion statt, in der sich die Schülerinnen und Schüler Maria Gevers, Felix Hund, Frederic Puhe, Kathrin Rohleder, Juan Lopez Casanava und Bahar Shahab unter der Moderation von Sandra Schulz-Kügler zu ihrem Engagement für die Demokratie äußerten. "Politischer Diskurs muss wieder toleranter werden", erklärte Frederik Puhe, während Maria Gevers betonte: "Demokratie ist nicht nur wählen gehen, sondern auch für die Demokratie einzutreten, zwischen den Zeilen."
Bahar Shahab, der als Sprachmittler tätig ist, ermutigte die Anwesenden, sich ehrenamtlich zu engagieren: "Es bringt ein schönes Gefühl, anderen zu helfen, und es ist eine wertvolle Erfahrung." Auch Juan Lopez Casanava, Vorsitzender des Integrationsrates der Stadt Bocholt, brachte seine Sichtweise ein: "Es ist wichtig, dass wir in Vereinen und Organisationen aktiv werden, um auch andere Kulturen kennenzulernen."
Appell an die Verantwortung
"Es ist eine persönliche Entscheidung, sich zu engagieren", erklärte Felix Hund. "Es gibt viele Möglichkeiten, sich einzubringen. Aber es erfordert auch Mut, besonders wenn man sich in einem politisch brisanten Umfeld bewegt."
Firas Alshater rundete die Diskussion mit einem Appell ab: "Nicht jeder hat die Chance, sich zu engagieren, aber es ist unsere Aufgabe, diejenigen zu unterstützen, die diskriminiert werden und für ihre Rechte kämpfen."
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Firas Alshater (Copyright: Stadt Bocholt)